Beim Wettbewerb um die ultimative Delegitimierung des Bauernprotests verstecken sich auch die Öffentlich-Rechtlichen nicht. Ein Kommentar
Die Deutschen Medien haben ein neues Feindbild. Neben Corona-Maßnahmenkritikern und Putin sind es nun: die Bauern. Der Grund: Die Landwirte nehmen sich die Tage etwas heraus, was dem Gesinnungsjournalismus in Deutschland zum Empörungsschwitzen treibt. Fundamentalkritik an der Regierung.
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Dass sich die wackeren Bauern nun auch noch organisieren und ihren Protest im Sinne der Demokratie auf der Straße zum Ausdruck bringen, ruft die Lordsiegelbewahrer der Gegenwart auf den Plan. Was deutsche Medien in der kurzen Zeit seit dem „Fährenzwischenfall“ an „Berichterstattung“ abgeliefert haben, dokumentiert auf bestechende Weise die Atomisierung des Mainstreamjournalismus. Der Spiegel zwitschert über die Plattform „X“: „Der motorisierte Mistgabelmob ist nur schwer vom Kurs abzubringen, aber wird mitunter zum Aufstand der Geknechteten hochgejubelt. Fast scheint es, als wäre der Bauer ein edler Wilder – und kein Profiteur der Agrarlobby.“ „Motorisierter Mistgabelmob“? Soll das die Ausdrucksweise einer Publikation sein, die sich laut Selbstbeschreibung als „Nachrichtenmagazin“ versteht? Auch die taz versteht es, die derzeit „richtigen“ Worte zu finden. Sie spricht von einem „Mähdrescher-Mob“, der „auf die Straße will“.
Beim Wettbewerb um die ultimative Delegitimierung des Bauernprotests verstecken sich auch die Öffentlich-Rechtlichen nicht. Es ist Samstagabend und die ARD strahlt die Tagesthemen aus. Vor einem Millionenpublikum lässt das „Flaggschiff“ des Nachrichtenjournalismus eine Extremismusforscherin zu Wort kommen, die einer ganz heißen Investigativgeschichte auf die Spur gekommen ist. Stichworte sollen an dieser Stelle genügen, um den „brisanten“ Enthüllungsexzess sichtbar zu machen: „Telegram“, „Reichsbürger“, „Strukturen“, „pro-russisch“, „Stimmung gegen die Demokratie zu schüren“, „Proteste“, gesteuert“, „gegen Habeck“.
Zwischen den Ausführungen findet das Wörtchen „scheinen“ Erwähnung – was den aufmerksamen Mediennutzer erkennen lässt: So genau weiß man das alles nicht. Doch genaues zu Wissen, ist heutzutage journalistischer „Qualität“ ohnehin nicht abträglich. Genaues Wissen out, ideologisch richtiges Vermuten in. Bei einem derartig motivierten Journalismus spielt es dann auch keine Rolle mehr, dass die Nachrichtenagentur dpa einer Familie, die sich auf der „Habeck-Fähre“ befand, unter dem Status der Anonymität zu Wort kommen lässt. Es versteht sich von selbst: Mutter und Vater finden die richtigen Worte. Die Bauern „brüllten auf die Kinder ein“, die Situation war „extrem bedrohlich“, „das war so feindselig“, es handelte sich um „pöbelnde Demonstranten“. Und nebenbei erfährt der Leser auch noch, dass sich an Bord der Fähre eine „Trauergesellschaft“ samt „Baby“ befunden habe.
Baby, Trauergesellschaft, Mutter, Vater: Die emotionalisierenden Signalwörter sind gesetzt. Wer die Familie war, welche politische Einstellungen sie teilt, wie sie vor der Protest-Aktion zu dem Bauernprotest gestanden hat: All das und vieles mehr bleibt im Dunklen. Die Grenzen für das Gewähren von Anonymität im seriösen Journalismus sind eng gesetzt. Wer öffentlich innerhalb einer Publikation reden will, vor allem zu politisch heiklen Themen, hat mit seinem Namen dafür einzustehen. Es sei denn, es handelt sich etwa um einen Whistleblower, der auf einen Missstand von weitreichender Tragweite unter hoher persönlicher Gefahr aufmerksam machen will.
In dem dpa-„Bericht“ geht es nur um eine subjektive Einschätzung, einen persönlichen Erlebnisbericht, dessen „Berichterstattungswert“ geschenkt ist, schließlich: Wenn Demonstranten auflaufen, haben manchen Menschen eben Angst. Eine Banalität, für die es auszusprechen keiner Anonymität bedarf. Die hier angeführten Beispiele aus den Medien sind nur die Spitze des Eisbergs. Die Bauern müssen gerade die Erfahrung machen, die nahezu jede Protestgruppe, die sich zu sehr gegen die vorherrschende Politik stellt, macht: Wollt ihr nicht die Politik beklatschen, müsst ihr durch die Propaganda tappen.
Dieser Kommentar erschien gekürzt in der Weltwoche.
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Über den Autor
Marcus Klöckner
Journalist, Autor (Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen - Das Corona-Unrecht und seine Täter, Sabotierte Wirklichkeit, Zombie-Journalismus etc.). Twitter: @KlocknerMarcus