Menschen sind täglich unterschiedlichsten Formen der Manipulation ausgesetzt. Beginnend bei der optimalen Platzierung von Produkten im Regal des lokalen Supermarkts, bis hin zu ausgefeilter (Kriegs-) Propaganda, scheint der »Krieg um die Köpfe« immer größere Ausmaße anzunehmen. Zu Propaganda und dem Einsatz von Soft Power-Techniken darf ich daher mit Dr. Jonas Tögel sprechen. Tögel ist Amerikanist und Propagandaforscher und hat zu dem Thema »Soft Power und Motivation« promoviert. Derzeit arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Regensburg.
Thomas Stimmel: Herr Dr. Tögel, dass es Propaganda gibt und Menschen auf verschiedenste Weise manipuliert wurden und werden, ist unumstritten. Können Sie skizzieren, wie sich Manipulationstechniken besonders im Hinblick auf die Digitalisierung weiterentwickelt bzw. verfeinert haben?
Dr. Jonas Tögel: Sie haben Recht, es ist möglich, Menschen durch Propaganda zu beeinflussen, indem man gezielt ihr Unbewusstes anspricht und sie so auf eine Art und Weise lenkt, welche sie selbst nicht bemerken. Edward Bernays, einer der Gründerväter der modernen Propaganda, betonte daher immer wieder, dass man gerade in Demokratien Propaganda anwenden müsse: Schließlich entscheidet in einer Demokratie die Mehrheit, und nur durch geschickte Manipulation könne man als kleine Gruppe von Regierenden die Bevölkerung dazu bringen, so zu entscheiden, wie man das möchte.1
Was man dazu braucht, sind sogenannte Soft Power-Techniken, die heute auch als „Waffen der Einflussnahme“2 bezeichnet werden. Mit diesen Techniken kann man das Unbewusste der Menschen ansprechen, beispielsweise indem man in der Werbung berühmte Persönlichkeiten nutzt, die für ein bestimmtes Produkt werben oder indem man tiefe Gefühle wie das Bedürfnis nach Macht oder sozialer Zugehörigkeit gezielt anspricht. Das war früher so und das ist auch heute im Zeitalter der Digitalisierung noch so. Neu ist, dass die Menschen heute durch das Internet viel mehr Informationen über sich preisgeben, als ihnen selbst bewusst ist. Man spricht daher von einem sogenannten „Schattentext“3, den jeder Mensch ausfüllt, wenn er im In…
Fußnoten- vgl. z. B.: Leipold, J. (2017). Edward Bernays und die Wissenschaft der Meinungsmache, arte: Frankreich; Bernays, E. L. (1928/2017). Propaganda. orange press.[↩]
- Cialdini, R. (2021). Die Psychologie des Überzeugens. Bern: Hogrefe Verlag, S. 19.[↩]
- Zuboff, S. (2018). Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus. Frankfurt: campus, S. 218.[↩]
Über den Autor
Thomas Stimmel ist international tätiger Journalist, Fotograf, Sänger und Publizist. Er ist Gründer des Medienhauses Ars Vobiscum Media e. U. und Herausgeber des Stichpunkt Magazins.