Die Welt fühlt sich gerade chaotisch an. Das Angebot an Nachrichten aus unterschiedlichen Quellen wächst, die vielen und teils widersprüchlichen Informationen überfordern unsere Gehirne. Als Folge wird die Welt zunehmend in Schwarz-Weiß eingeteilt: Rechts – Links. „Putinversteher“ – Kriegsbefürworter. Geimpfte – Ungeimpfte. „Eso-Schwurbler“ – Wissenschaftstreue. In den Diskussionen geht dabei oft jedes (Mittel-)Maß verloren.
Denn natürlich gibt es unzählige Schattierungen: Menschen, die sich für Friedensverhandlungen im Ukraine- oder Gaza-Krieg aussprechen, ohne eine Kriegspartei zu bevorzugen. Jene, die sich aus verschiedensten Gründen gegen Covid impfen ließen – und dennoch vieles, was in den vergangenen Jahren geschah, kritisch sehen. Oder kritische Geister, welche die Grundlagen der Wissenschaft nicht in Frage stellen und zugleich einen Blick über den Tellerrand werfen.
Ein aktuelles Beispiel ist die Diskussion rund ums Klima. Auf der einen Seite sind die Panikmacher, die den Weltuntergang bereits vor Augen haben. Und auf der anderen Seite die Verharmloser, die meinen, es wäre „alles immer schon so gewesen”. Die Tendenz geht dahin, die Verantwortung abzugeben: Schuld sind wahlweise Wirtschaft, Konzerne oder Eliten, die das Wetter und uns mit der “CO2-Lüge” manipulieren.
Beim Thema Autofahren etwa ist die Spaltung derzeit besonders gut erkennbar: Die einen wettern gegen das (Verbrenner-)Auto als CO2-Schleuder und sehen E-Mobilität als Heilsbringer, die anderen reagieren mit Trotz – nach dem Motto „jetzt kaufe ich mir erst recht einen SUV“. Dabei gäbe es viele Gründe, das Auto hin und wieder stehen zu lassen oder gar darauf zu verzichten: Ressourcenverbrauch bei der Herstellung, Feinstaub durch Reifenabrieb, Sicherheit, Lebensqualität – besonders in den Städten. Das alles trifft gleichermaßen auf Verbrenner wie auf Elektroautos zu.
Auf der Suche nach Zugehörigkeit
Tatsache ist: Es geht nicht allein um Klima und CO2. Wir haben ein Problem mit Naturzerstörung, Verlust der Biodiversität und vielem mehr. Tatsache ist, dass wir nicht weitermachen können wie bisher, auch wenn sich das manche wünschen. In den Nachrichten und Diskussionen fehlt es jedoch an Lösungen – an einem Journalismus, der über den Tellerrand hinausblickt. Das allgemeine Durcheinander führt dazu, dass viele verzweifelt auf der Suche nach Zugehörigkeit sind und sich dabei verzetteln.
Nicht wenige haben infolge bei der EU-Wahl rechte Parteien gewählt, die sie noch vor einigen Jahren zutiefst verabscheuten und die ihnen jetzt Halt zu bieten scheinen. Parteien, die dafür bekannt sind „dagegen“ zu sein, ohne Konzepte für den Erhalt von Menschlichkeit und Vielfalt. Für die Naturschutz oder soziale Gerechtigkeit Fremdwörter sind. Viele haben jeden Bezug zu sich selbst und zur Natur verloren, stecken in einem Hamsterrad aus sinnlosem Job, Konsumdenken und Verbitterung fest. Dabei scheint es einfacher zu sein, die Verantwortung abzugeben, als in die eigene Kraft zu finden. Oder sich in Zynismus zu flüchten und verbal auf Andersdenkende hinzuhauen.
In dieser herausfordernden Zeit ist es wichtiger denn je, Informationen zu hinterfragen und sich ein eigenes Bild zu machen. Den Hausverstand zu benutzen und zu den eigenen Werten zu stehen. Dabei kann helfen, sich vermehrt auf Lösungen denn auf Probleme zu konzentrieren – und die Nachrichten hin und wieder auszuschalten. Letztendlich geht es darum, Brücken zu bauen und Gemeinsamkeiten zu finden. Wir sollten unsere Blasen verlassen und einander die Hände reichen. Denn bei näherer Betrachtung vereint uns mehr als uns trennt: die Sehnsucht nach Frieden und einem guten Leben.
Über den Autor
Susanne Wolf
Susanne Wolf ist freie Journalistin und Autorin und begleitet schreibend den aktuellen gesellschaftlichen Wandel. Sie hat sich dem konstruktiven Journalismus verschrieben, der sich bei all den Herausforderungen unserer Zeit auf die Suche nach möglichen Lösungen macht. Dabei bleibt sie immer dem journalistischen Grundprinzip des kritischen Hinterfragens treu.