von Veronika Gmachl
Von Krisen zu Kooperation – Wie Schülerinnen und Schüler der 8. Klasse Diplomatie erlernen
In einer Welt, die von Konflikten und Krisen geprägt ist, möchte man Kinder und Jugendliche am liebsten vor diesem Aspekt der Realität schützen. Gleichzeitig sind sie es, die in Zukunft die Fäden in die Hand nehmen sollen. Wie kann ein so unlösbar scheinendes Problem angepackt werden und ein möglichst angstfreier Umgang mit den schwierigen Aspekten der Zeitgeschichte gefunden werden?
Ein Lösungsweg ist die spielerische Auseinandersetzung, denn im Spiel kann nicht nur viel Wissen, sondern auch Handlungskompetenz erworben werden. Das hat die Rudolf Steiner Schule Salzburg erkannt – und wagt ein besonderes Experiment: das World Peace Game.
Vom Gegeneinander zum Miteinander – Lösungsorientiert den Frieden erspielen
Das World Peace Game ist kein gewöhnliches Brettspiel. Entwickelt vom renommierten Pädagogen John Hunter, ist es eine tiefgehende Simulation globaler Krisenszenarien auf einem übergroßen Spielbrett, welches auf vier Ebenen die Beziehungen von vier Ländern in realitätsnaher Komplexität darstellt. Die Schülerinnen und Schüler übernehmen die Rollen von Staatsoberhäuptern, Wirtschaftsvertreter*innen und Diplomat*innen – und müssen dabei über ihre eigenen Interessen hinausdenken. Es nimmt Bedacht auf die Bedeutung von Volksgruppen, auf ökologische und ökonomische Besonderheiten sowie auf die Möglichkeiten von Innovation und behandelt auch das Thema Flucht.
Die Aufgabe: den Frieden für das jeweilige Land zu sichern, während gleichzeitig wirtschaftliche und ökologische Herausforderungen bewältigt werden müssen. Dabei sind kluge Verhandlungen, strategisches Denken und Teamgeist gefragt, denn alle finden die gleichen Krisen vor, die sie in ihren jeweiligen Rollen aber sehr unterschiedlich betreffen – und auch unerwartete Ereignisse gilt es zu berücksichtigen.
Die Herausforderung internationaler Institutionen
Neben den Staatsoberhäuptern und Minister*innen spielen auch internationale Institutionen wie die Weltbank, die UN, der Internationale Gerichtshof und außerdem eine Firma, die Waffen sowie Innovationen anbietet und – zumindest am Anfang – rein gewinnorientiert arbeitet, eine Rolle. Sie sollen Stabilität schaffen, vermitteln und globale Probleme lösen. Doch die Jugendlichen erleben schnell, dass diese Organisationen nicht allmächtig sind: Bürokratie, Interessenkonflikte und wirtschaftliche Zwänge erschweren oft schnelle Lösungen. Die Schülerinnen und Schüler lernen, mit diesen Bedingungen umzugehen, Kompromisse zu schließen und kreative Lösungswege zu finden. So entwickeln sie ein tiefes Verständnis dafür, warum internationale Zusammenarbeit oft mühsam ist – und warum sie dennoch unverzichtbar bleibt.
Zufall oder Schicksal? Der Aktienkurs, das Wetter, unerwartete Ereignisse
Darüber hinaus bringt der Zufall – oder ist es Schicksal? – nach jeder Verhandlungsrunde neue Herausforderungen ins Spiel, denn es wird der Aktienkurs neu bestimmt, das Wetter kann sich ändern und Zufallskarten bringen neue Krisen oder Chancen.
Lernen mit Herz, Kopf und Hand

„Es ist faszinierend zu sehen, wie schnell die Jugendlichen in ihre Rollen hineinwachsen, und Verantwortung übernehmen.Plötzlich wird ihnen bewusst, wie komplex globale Entscheidungen sind“, berichtet die Spielleiterin und Klassenlehrerin der 8a Hemma Treppo.
Das Spiel ist eingebettet in den Lehrplan der achten Klasse, die sich intensiv mit der Neuzeit beschäftigt, und wird auch in der Oberstufe eingesetzt. Es fordert die Jugendlichen heraus, über nationale, wirtschaftliche und politische Grenzen hinweg zu denken – nicht als Einzelkämpfer*innen, sondern als Gestaltende einer harmonischen Zukunft. So erleben die Schülerinnen und Schüler hautnah, wie geopolitische Entscheidungen getroffen werden und welche Folgen sie haben. Sie verhandeln, schließen Bündnisse, lösen Umweltkrisen und verhindern Kriege.
„Am Anfang herrscht die Überforderung – doch darauf folgt der Flow. Die Gespräche werden tiefgründiger, die Entscheidungen strategischer. Und am Ende haben sie nicht nur spielerisch gelernt, sondern auch sich selbst weiterentwickelt“, erzählt die Spielleiterin.
Mehr als nur ein Schulprojekt
Als UNESCO-Schule und Trägerin des österreichischen Umweltzeichens sowie der ÖKOLOG-Zertifizierung setzt die Rudolf Steiner Schule Salzburg bewusst auf nachhaltige und zukunftsorientierte Bildung. Das World Peace Game fügt sich nahtlos in diesen Ansatz ein: Es zeigt den Jugendlichen nicht nur die Herausforderungen unserer Zeit auf, sondern gibt ihnen auch Werkzeuge an die Hand, um aktiv an Lösungen zu arbeiten.
„Dieses Spiel ist eine Erfahrung, die bleibt“, betont Hemma Treppo. „Es geht um mehr als Wissen – es geht um Empathie, Kreativität und die Fähigkeit, gemeinsam an einer besseren Zukunft zu arbeiten.“
Denn wer einmal erlebt hat, wie schwierig es ist, den Weltfrieden zu bewahren, wird die Herausforderungen unserer realen Welt mit ganz anderen Augen sehen – und bekommt gleichzeitig Werkzeuge in die Hand, um auch die Krisen des Alltags selbst zu bewältigen.