Der folgende Essay stellt gruppen- und massendynamische Phänomene anhand von zwei Fallbeispielen dar. Die zentrale Frage dabei: Wo liegt der Kipppunkt, ab der sich eine andere bzw. (Gegen-)Strategie selbsttragend durchsetzen kann?
Prolog
Wie viel an kritischer Masse braucht es, ab der ein substanzielles Change- oder Widerstands-Momentum entsteht UND erhalten bleibt? Wie viele kritische Menschen sind notwendig, um festgefahrene Paradigmen, vorgegebene Narrative und Ideologien nachhaltig zu verändern? Zwei Fragen, die in diesem Essay beantwortet und anhand konkreter Beispiele in Change-Prozessen dargestellt werden. Aus Parallelen zur Pandemiebewältigung 2020 -2023 können Learnings zur Bewältigung der nächsten Krisen (Klima, etc.) gezogen werden. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf Polaritäten und Dissonanzen zwischen diversen ‚Bubbles‘ bzw. Stakeholder-Interessen, die konstruktiv aufzulösen sind. Ein essentielles Phänomen von Polarisierung besteht darin, dass jede Seite versucht sich einzubunkern, indem sie sich nur mehr mit den Informationen beschäftigt, die ihre Haltung bestätigt. Aktuell werden beispielsweise, trotz offizieller Beendigung der Pandemie, Spaltungen eher angefeuert als gelöst. Und das von beiden Seiten. Ganz offensichtlich ist hier noch ein Weg zu gehen.
Definitionen
Der Begriff kritische Masse wird in verschiedenen Kontexten verwendet und hat somit unterschiedliche Bedeutungen. Im Allgemeinen bezieht er sich auf den Punkt, an dem eine ausreichende Menge erreicht wird, um einen bestimmten Effekt auszulösen oder eine Veränderung herbeizuführen. Dies kann sich auf physikalische, chemische, soziale oder andere Phänomene beziehen.
Eine kritische Menge wird häufig im Zusammenhang mit chemischen Reaktionen verwendet. Sie bezieht sich auf die Menge einer bestimmten Substanz, die erforderlich ist, um eine chemische Reaktion zu starten oder aufrechtzuerhalten. Wenn weniger als die kritische Menge vorhanden ist, wird die Reaktion nicht stattfinden oder stoppen.
Eine kritische Masse in der Spieltheorie bedeutet, dass nicht die gesamte Gruppe von einer Strategie überzeugt werden muss, sondern dass es ausreicht, nur eine bestimmte Anzahl von Teilnehmern von dieser Strategie zu überzeugen. Ist dieser Schwellenwert (Kipppunkt) überschritten, kann sich diese Strategie selbsttragend durchsetzen.
Statements
Einige (bekannte) Statements zur Thematik ‚Menschentypologie‘ und zur Frage‚ wie viele kritische Potenziale es braucht, um entweder Veränderung zu initiieren oder Widerstand gegen bestehende Narrative nachhaltig aufzubauen.
- 1% kontrolliert die Welt, 4% sind Marionetten, 5% wissen es und sie versuchen die 90% aufzuwecken. Die 1% benutzen dabei die 4%, um die 5% daran zu hindern, die 90% aufzuwecken1) (Autor unbekannt).
- 80% der Menschen verfügen nicht über die psychologischen und moralischen Ressourcen, um sich dem Befehl einer Autorität zu widersetzen, unabhängig wie legitim dieser Befehl ist. Nur 20% verfügen über die kritische Kapazität (Stanley Milgram).
- Die Mehrheit der Bevölkerung versteht nicht, was wirklich geschieht. Und sie versteht nicht einmal, dass sie es nicht versteht (Noam Chomsky).
- Das von Solomon Asch im Jahr 1951 nachgewiesene Gruppendenken veranlasst Individuen dazu, etwas zu sagen, was sie für falsch hielten, um nicht in Widerspruch mit der Gruppe zu stehen (auch bekannt unter ‚Konformitätsexperiment‘).
Menschentypologie
Eine Befragung von Führungskräften im Rahmen des Management Echos2) vom November 2022 ergab, dass 18% der Mitarbeiter3) in Unternehmen kritisch reflektieren und versuchen, Zusammenhänge und das große Bild zu verstehen (in der Studie als Typ C bezeichnet). Je 41% gehören zum Typ B (… bringt zwar Skepsis mit, ‘schwimmt’ aber gerne mit, wegen Bequemlichkeit etc.) oder zum Typ A (… gehorcht und hält sich grundsätzlich an höhere Instanzen wie Hierarchie, Medien, Wissenschaft, etc). Menschentyp C schaut hinter die Kulissen der ‚veröffentlichten Meinung‘ und ist mit einer – meist gesunden – Portion Skepsis ausgestattet.
- Typ A: gehorcht, glaubt an Vorgaben und Hierarchie 41%
- Typ B: bequem, wartet ab, schweigt und schwimmt mit 41%
- Typ C: skeptisch, kritisch, schaut über den Tellerrand 18%
Learnings aus der Corona-Pandemie in Österreich
Zu Beginn (März 2020) gab es sehr wenige, die vorgegebene Narrative erstens kritisch prüften, zweitens durchschauten, drittens eine potenzielle ‚Hidden Agenda‘ transparent und glaubwürdig darstellten, viertens diese kommunizierten und fünftens konsequent als ‚First-Mover‘ dranblieben. Die Multiplikation (Infektion ist auch in diesem Kontext ein passendes Wort) an ‚Early Mover‘ (um in der Marketingsprache zu bleiben) erfolgte dann mehr oder weniger automatisch.
- Geschätzte 100.000 (ca. 1,5 %) Menschen (über 16 Jahre) waren von Beginn weg nicht nur skeptisch, sondern äußerten sich auch kritisch (sogar ca. 200 Ärzte, die allerdings recht schnell von ihrer Kammer in die Schranken gewiesen wurden). Ein harter Kern von Personen blieb mutig und konsequent dran und wurde von Politik und Medien nicht ernst genommen4). Auf einmal, sozusagen exponentiell wachsend, gingen 100.000ende Menschen auf die Straßen, beteiligten sich an Petitionen sowie Vorträgen und wurden in sozialen Medien aktiv.
- Die Mainstream-Medien (MSM) reagierten entweder mit Ignoranz und/oder Diffamierung. Dieses, trotz allem, entstandene Momentum war allerdings nicht mehr zu bremsen.
- ‚Hilfreich‘ war, dass von der Regierung (samt Experten) zu viele Fehler gemacht wurden. Das heilbringende Produkt (‚Der Pieks am Ende des Tunnels‘) konnte trotz intensiver Kampagnen zentrale Versprechen nicht halten (Vollimmunisierung, sterile Immunität, Ivermectin als Alternative, etc.). Die (geplante) Einführung der Impfpflicht, die Lockdowns (insbesondere der diskriminierende 2G-Lockdown) und ein Datenchaos sorgten dafür, dass die Zahl der Skeptiker sehr schnell auf mehr als 10 % stieg. Die Kommunikationsstrategie, kritische Menschen pauschal als Covidioten, Rechtsnationale, Coronaleugner und Esoteriker zu diffamieren5) (framing), war schnell durchschaut.
- Botschaften, die auf intransparenten Zahlen und fragilen Botschaften (Angst, Panik, etc.) aufgebaut waren, wurden nicht mehr geglaubt. Absolute und nicht kontextualisierte Zahlen (als einfachstes Mittel der Manipulation) wirkten zwar anfangs, steigerten aber die Skepsis von immer mehr Menschen exponentiell.
- Obwohl die MSM mit aller Wucht dagegenhielten und nicht ins Schema passende Informationen unterdrückten ‚Lückenpresse‘), war die Welle nicht mehr aufzuhalten. Eine kritische Masse war nun erreicht (Der Schluss, dass mRNA-‚geimpfte‘ Personen pauschal unkritisch sind, ist hier nicht zulässig).
These 1
Es genügen ca. 1 bis 1,5 % ‚Critical First Mover‘ zu Beginn, es erfolgt ein schneller exponentieller Anstieg auf 4 – 5% ‚Early Mover‘, welche wiederum die Grundlage für eine substantielle und nachhaltige kritische Größe von > 10% sind, um Veränderung selbstragend durchzuführen.
Vor allem im Dreieck ‚Wissenschaft, Politik und Medien‘ wurden große Fehler durch intransparente und manipulative Kommunikation gemacht. So zeigte eine weitere Befragung, die Anfang 2022 durchgeführt wurde (n= 207), folgendes Ergebnis2):
Wie verteilen sich Ihrer Meinung nach folgende Gruppen in der Gesellschaft (insg. 100 Punkte zu vergeben)?
- Geimpft und überzeugt davon: 27%
- Geimpft, aber skeptisch (Druck durch Job, Reisen, etc. zu groß) 37%
- Nicht geimpft und überzeugt davon 36%
Wagen wir heute, im Sommer 2023, eine grobe Schätzung, so würde das Verhältnis in Richtung 1/3 (nach wie vor überzeugt von der sogenannten ‚Impfung‘) zu 2/3 (lassen sich nicht mehr mRNA ‚impfen‘) tendieren (Hypothese). Oft wird kritisiert, dass es besonders in Österreich eine Wissenschaftsskepsis gibt. Verwunderlich ist es nicht, haben doch viele Menschen begonnen, daran zu zweifeln, ob die Schulmedizin nach wie vor nach den Grundsätzen von Hippokrates oder eher nach den Vorgaben von Big Pharma agiert. Weitere Gründe für den Trend von 1/3 zu 2/3 sind:
- das konsequente Wirken kritischer und mutiger Meinungsbildner
- die Gründung zahlreicher Initiativen und Plattformen, die sich zunehmend professionalisieren und untereinander vernetzen
- die von vielen durch falsche Versprechungen erfahrenen Enttäuschungen
- noch unglaubwürdiger gewordene Politiker und Journalisten6)
- die Reduktion von Druckmitteln (Jobverlust, 3G, …)
- erhöhte Transparenz bei Impf- und Maßnahmenschäden durch neue und soziale Medien. Zahlen über gestiegene Krankenstände, Fehlgeburten und Übersterblichkeiten erreichen über alternative Kanäle immer mehr Menschen (Anmerkung: Die oft als ‚Lückenpresse‘ bezeichneten Medien wundern sich, warum Leserzahlen und Abos zurückgehen. Der ORF lehnt sich zurück, muss doch 2024 jeder Bürger eine Zwangsgebühr bezahlen. Und das unabhängig davon, ob das Medium konsumiert wird oder nicht!).
These 2
Heute sind (und bleiben es vermutlich) ca. 3/12 mRNA-ungeimpft, 5/12 sind ‚Impfaussteiger‘ und 4/12 sind überzeugt (und bleiben es vermutlich). Sehr viele Menschen haben grundsätzlich Zweifel an vorgegebenen Narrativen entwickelt. Relevant dabei: Die Zweifel manifestieren sich bis in die Mitte der Gesellschaft und nicht nur bei Rechtsnationalen und Esoterikern, wie es uns die MSM vermitteln möchten5).
Parallelen zu organisationalen Change-Prozessen
Werfen wir einen Blick auf die ‚1/3 – 1/3 – 1/3 Regel‘ in Veränderungsprozessen (ausführlich unter https://www.konradbreit.com/blog_detail/)
- Das erste Drittel, auch Detraktoren oder Beharrende genannt (korreliert mit Typ A unter ‚Menschentypologien‘ weiter oben im Text), mag Veränderung grundsätzlich nicht so gerne. Ein meist konservatives und auf Beständigkeit aufgebautes Menschen- und Weltbild zeichnet diese Personen aus. ‚Wozu Veränderung, es läuft eh alles bestens und ich fühle mich wohl in meiner Komfortzone‘, ist eine gängige Aussage. Die Haltung dieser Zielgruppe ist grundsätzlich defensiv, vorsichtig und meist auch ängstlich. Häufig als typische Vertreter der Normopathie6) bezeichnet.
- Das mittlere Drittel, auch als Ambivalente oder Indifferente bezeichnet, wartet einmal ab, schaut einmal ganz genau hin, ob die Entscheider (Top-Management, etc.) es ernst meinen, ob ehrlich kommuniziert wird und wo die Reise hingeht. Und vor allem auch, was der (persönliche) Nutzen der Veränderung sein könnte. Grundsätzlich ist diese Gruppe eher skeptisch eingestellt, wenn aber glaubhafte und authentische Veränderungen mit Aussicht auf Verbesserung passieren (‚What’s in for me?‘), dann sind sie dabei. Motto: ‚Warten wir einmal ab und prüfen wir gut, erst bei positivem Ergebnis sind wir dabei‘. Und vor allem: ‚Wir möchten vorerst sehen, wie die Promotoren sich verhalten‘.
- Das dritte Drittel, auch als Promotoren bezeichnet, ist für Veränderung grundsätzlich offen und froh, dass nun endlich etwas in Bewegung kommt. Motto: ‚Schön, dass sich endlich etwas tut und ich die Veränderung mitgestalten kann‘. Genau wird allerdings der Hintergrund (‚Purpose‘) geprüft. Das Neue muss Sinn machen. Die Kommunikation der Veränderungsziele wird kritisch evaluiert, ja sogar mitgestaltet. Diesen Menschentypus zeichnet positives Denken, eine hohe Selbstreflexionsfähigkeit und Mut, Neues zu wagen, aus.
These 3: Ein Schlüssel, um Change-Prozesse erfolgreich durchzuführen
Die Ambivalenten beobachten die Promotoren und deren Verhalten sehr genau und lassen sich von denen beeinflussen. Die Detraktoren schauen wiederum sehr genau auf die Ambivalenten. Bewegen sich diese in Richtung ‚Veränderung‘, dann gehen die Detraktoren (bis auf 5-10% gesamt) auch mit.
Umgelegt auf Veränderungsprozesse, insbesondere in Krisensituationen, bedeutet dies, dass die wesentlichen strategischen Kommunikationsmaßnahmen auf die mittlere Zielgruppe (Ambivalente) ausgerichtet werden sollten.
Exkurs: Wie schaut professionelle Kommunikation in Change-Prozessen aus?
- Pro & Contra gut darstellen – Pluralismus
- Emotionen und Argumente der Betroffenen verstehen – Empathie
- Debatten und Diskurse zulassen – Diskurs
- Akzeptieren, dass Veränderung schwierig ist – Akzeptanz
- Prozessbewusstsein: jeder geht durch 4 Zimmer9) – Prozess
- Authentische und vor allem ehrliche Information – Authentizität
Die Anwendung der Formel ‚P E D A P A‘ kann ein erfolgreiches Change- oder Krisenprojekt positiv unterstützen.
Wenn für die Ambivalenten (oft auch ‚schweigende Mitte‘ genannt) sich Veränderungsbotschaften (neue Organisationsstruktur, neue Prozesse in einem Unternehmen) als wahr herausstellen und das Neue hält, was versprochen wurde, ist das der Beginn einer immensen (gruppendynamischen) Bewegung. Die große Frage bleibt, wie viele der ‚Beharrenden‘ (oft Hardliner) mitgehen werden. Meist funktioniert es (noch) nach dem Muster, per Hierarchie, Druck, Angst und Technokratie zu führen. Was, evolutionär betrachtet, in unserer DNA nach wie vor stark manifestiert ist.
Ein Blick in die Zukunft (‚Glaskugel‘)
Die Bewältigung einer nächsten (potenziellen) Krise wurde durch das praktizierte Pandemiemanagement schlecht vorbereitet. Zu viele wenden sich von Politik, von staatlichen Institutionen und vor allem von den klassischen Systemmedien ab. Der Wunsch nach einem fundamentalen gesellschaftlichen Wandel ist nicht mehr aufzuhalten. Menschen wollen ernst(er) genommen werden und verlangen nach Selbstbestimmung. Nahezu jedem kann im 21. Jahrhundert zugetraut werden, sein eigenes Leben (und seine eigene Gesundheit) zu managen. Besonders gefordert sind dabei neue und innovative Erziehungs- und Bildungssysteme.
- Heute geht es meist um Wissen aufnehmen, reproduzieren und (meist) wieder vergessen,
- morgen soll es um Erfahrungs- und intrinsisches Lernen sowie persönliches Wachstum gehen.
Eine ‚Tiefenindoktrination‘, vor allem bereits bei Kindern, ist ein bewusster und politisch gewollter Prozess und somit ist es plausibel, dass der Typ C (skeptisch, kritisch, schaut über den Tellerrand, ca. 18%) so stark unterrepräsentiert ist. Kritisch betrachtet – das ist ein klassisches Paradoxon – können noch so viele ‚Innovations- und Über-den-Tellerrand-schauende-Programme‘ in Unternehmen durchgeführt werden, die Fundamente dafür sind früher zu legen. Die Hoffnung besteht aktuell, dass aufgrund der diversen aktuellen Krisen immer mehr Menschen selbstbestimmter und vor allem kritischer werden.
Feudalismus 2.0 oder doch ein neues Paradigma?
Ist es nicht so, dass Mächtige gar kein Interesse an zu vielen mündigen Bürgern haben? Wirkliches freies und selbstbestimmtes Denken war doch – auch historisch betrachtet – noch nie wirklich gewünschte Ideologie, funktioniert doch eine ‚Struwwelpeter-Pädagogik‘ (inkl. Infantilisierung und ‚betreutes Denken‘) viel besser. Ironischerweise haben aktuell linke und vor allem grüne Parteien dieses Paradigma 1:1 übernommen und praktizieren es sehr dogmatisch, ja sogar totalitär und intolerant (siehe dazu Zitat von Karl Popper7)).
Phänomene und Erkenntnisse der kritischen Masse werden benutzt, um Gesellschaften und Veränderungsprozesse in Organisationen gezielt zu steuern. Die Unterdrückung (Zensur) von nicht-konformen Meinungen ist dabei häufig eine unangenehme Begleiterscheinung. Aufgrund von deregulierten Wahrheitsmärkten wird es zunehmend schwieriger, sämtliche Informationskanäle zu kontrollieren. Wer hat Wahrheit gepachtet und das Recht darauf? Social-Media-Kanäle sind den Mächtigen ein Dorn im Auge, da – ganz einfach gesagt – zu demokratisch. Eine zentrale Lenkung von Menschen wird dadurch erschwert. Ein Paradebeispiel ist der Versuch des österreichischen Kanzlers Sebastian Kurz (2020/21: 22 Monate, 2017 – 19: 17 Monate) eine ‚Message Control‘ zu etablieren. Viele Medien, vor allem aus dem Mainstream, wurden abhängig gemacht, was eine große Krise der Medien einleitete. Die vierte Säule des Staates bröckelt heute noch immer (siehe Precht/Welzer: ‚Die vierte Gewalt‘, 2022 sowie eine tiefere Analyse der Macht von Medien unter https://www.konradbreit.com/blog_detail/).
Können einige wenige Menschen hundert bewegen?
Um eine neue Meinung und ein neues Paradigma zu etablieren oder ein vorgegebenes Narrativ zu hinterfragen, reicht eine verhältnismäßig kleine Gruppe von Menschen – ein kritischer Kern, der nach dem heutigen Stand der Wissenschaft bei etwa 10 Prozent zu liegen scheint. Der Mensch ist ein Individuum, aber er ist durchaus auch ein Rudeltier und oftmals sogar ein Schwarmtier. Der Berliner Forscher Jens Krause10) vom Leibniz-Institut dazu: Es braucht bloß zehn Prozent der Individuen einer Gruppe, um diese in eine bestimmte Richtung zu lenken. Gerade in großen Gruppen kopieren wir das Verhalten der Gruppe völlig unbewusst, so dass sich die Gruppe fast wie ein Schwarm verhält.
Bleibt allerdings die Anzahl der an eine Idee glaubenden Personen innerhalb einer Gruppe bzw. Population unterhalb von 10 Prozent, so zeigt sich kaum ein Fortschritt in der weiteren Verbreitung dieser Ideen10). Überschreitet diese Anzahl jedoch zehn Prozent, so verbreitet sich die Idee von nun an wie ein Lauffeuer. Das ist ein interessantes Phänomen. Der Unterschied des Überschreitens der magischen 10-Prozent-Grenze ist tatsächlich auch laut Jens Krause und Boleslaw Szymanski11) sehr dramatisch: Unter 10 Prozent würde die Verbreitung der Idee oder Meinung laut Simulation in etwa so viel Zeit benötigen, wie das Universum alt ist – darüber geht es dann rasend schnell.
Conclusio
Zur Zeit fallen zahlreiche Lügen wie Blätter von den Bäumen – es ist mindestens Herbst für das alte Paradigma. Und das trotz Einsatz aller klassischen Kommunikations- und Manipulationstechniken wie Framing, Labeling, Stereotypisierung, Spaltung (‚divide et impera‘), Informationsüberflutung, kognitive Dissonanz, Atomisierung der Gesellschaft, Diffamierung, Angst, Dämonisierung, Infantilisierung, Ausgrenzung, Stigmatisierung, Wiederholung, einseitige Perspektiven und einige andere mehr (das komplette Portfolio ist nachzulesen im ‚Handbuch der öffentlichen Meinung‘ der Agora-Initiative).
Erleben wir heute nicht einen ‚Kampf‘ zweier Szenarien?
A. Zurück in die Vergangenheit und wieder mehr totale Kontrolle (‚Renaissance des Taylorismus‘, Technologie als rettende Religion, globale Kontrolle, etc) oder
B. Öffnen eines Raumes für eine neue Vision unserer Zukunft als Menschheit (Selbstbestimmung, Freiheit und Human Relations als Paradigma).
Für Szenario B braucht es mindestens 10%. Wichtig dabei: Nicht alle Menschen müssen dafür schwindelnde Gipfel von Bewusstheit erlangen. Viele Menschen unterstützen das alte System nicht, weil sie es so toll finden, sondern weil es eben da ist. Weil sie einfach mitlaufen, oder besser, in Ruhe gelassen werden wollen (‚Brot & Spiele‘) oder davon (existenziell) abhängig sind. Es braucht nicht viele, die sich für eine neue Realität entscheiden und damit große Veränderungen katalysieren können. Und nicht durch Reden, sondern indem sie es in ihrem eigenen Leben, so gut es geht, verwirklichen und vorleben. Eine kritische Menge derer, die die geschaffenen Stereotypen und Pseudorealitäten durchschaut, dürfte heute (September 2023) stabil genug sein.
Persönliche Anmerkungen:
Wir alle sollten uns des Phänomens der selektiven Wahrnehmung bewusst sein: Unabhängig welcher Blase man sich zugehörig fühlt, jeder sieht und interpretiert die Informationen, die ihn in seiner Einschätzung bestätigen (ähnlich den selbsterfüllenden Prophezeiungen). Auch ich, vor allem als Betroffener von ausgrenzenden und zudem wissenschaftlich invaliden Maßnahmen wie 2G, muss(te) in diesem Essay gut differenzieren, wie viel Grant und Emotion meine Bewertungen der Erkenntnisse beeinflussten. Als Teil einer diskriminierten Gruppe wurden viele unweigerlich emotional verletzt. Die Grenze zwischen autobiographischer Färbung und rein abstrakter Wortwahl war oft diffus. Um Blasen aufzulösen, ist es essentiell, sich dieser psychologischen Phänomen bewusst zu sein.
1) Die oberen 1% sind viel zu hoch angesetzt (wissend, dass es eher metaphorisch und symbolisch gemeint ist). Das wären ja 80 Mio (also ungefähr so viele, wie Deutschland Einwohner hat). Die Realität geht eher zu 0,00001% (= 800, die kontrollieren) und 20% sind Marionetten (oft auch als Funktionselite bezeichnet: ca. 1,6 Mrd., die wiederum +/- 10 % (ca. 800 Mio) daran hindern, die verbleibenden 70% aufzuwecken. Es ist zudem eine Frage, auf welche Grundgesamtheit die Aussagen bezogen werden sollen. Warum? Fünf Milliarden Menschen haben weder Bewusstsein noch Möglichkeiten, sich mit solchen Fragen, sprich Kritik, überhaupt zu beschäftigen (diverse totalitäre Länder). Die Menschen dort sind (oder werden), um Maslow zu strapazieren, mit der Befriedigung von Bedürfnissen auf Ebene 1 – 3 beschäftigt (unterscheidet fünf Bedürfnisebenen und sagte (damals), dass die Bedürfnisbefriedigung eines Menschen immer von unten nach oben geht. Ganz unten stehen die physiologischen Bedürfnisse wie Essen, Trinken, Überleben, Ebene 2 sind Sicherheit und Schutz, Ebene 3 Zugehörigkeit (Liebe, Anerkennung, soziale Integration), Ebene 4 Selbstwerdung und Lernen und ganz oben auf Ebene 5 geht es um Selbstverwirklichung. Das Konzept ist alt, allerdings robust. Was sich relativiert hat, ist vor allem die Theorie, dass ein monokausaler Zusammenhang zwischen den Ebenen besteht). Gehen wir von entwickelten Gesellschaften in Europa aus, so könnte die Formel folgendermaßen lauten:
- 0,0001% (!) der Einwohner Europas (=500) kontrollieren (und werden aber auch gesteuert, aber da könnte es zu verschwörerisch werden) …
- 0,1% (= 1 Promille, 500.000) Marionetten (=Funktionselite aus Politik, Medien, Wissenschaft und Kultur)
- 5% wissen es (25 Mio) und versuchen ca. 470 Mio aufzuwecken.
- D.h. 500 benutzen 500.000, um 25 Mio daran zu hindern, die 470 Mio aufzuwecken. Könnte ungefähr hinkommen.
2) Zu bestellen unter office@konradbreit.at
3) Im Sinne einer Sprachvereinfachung wird auf die Unterscheidung der Geschlechtsformen verzichtet. Es werden alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen.
4) Als man merkte, dass sie ernst zu nehmen sind (Argumente, alternative Studien, etc.), begann man sie zu ignorieren (z.B. keine mediale Coverage) und zu diskreditieren.
5) Ein besonderes ‚Highlight‘ (neben vielen anderen vom ‚Der Standard‘, ‚Profil‘, ‚Falter‘, ORF usw.) war der OON-Journalist ‚Wimleitner‘, der Menschen, die auf Demos gingen, folgendermaßen beschrieb: ‚Wer Kritik am Corona-Kurs der Regierung äußert und friedliche Demonstrationen besucht, entstamme einer “psychisch labilen Bevölkerungsschicht” und spalte als “grölender Tross” mit “religiösem Eifer” die Gesellschaft‘. Viele Menschen aus der Mitte der Gesellschaft wurden richtig verärgert.
6) Die Frage ‚Wie hat sich das Ansehen folgender Berufsgruppen in den letzten 3 Jahren verändert?‘ (auf einer 10er Skala: 1 = deutlich verschlechtert, 10 = deutlich verbessert) brachte folgendes Ergebnis:
- Politiker: ø 2,2 Punkte von 10
- Journalisten: ø 3,6
- Funktionäre (aus Kammern, etc.): ø 3,6
- Ärzte, Wissenschaftler und Künstler: alle bei ca. ø 5,6
7) Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die unbeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen (Karl Popper in ‚Die offene Gesellschaft und ihre Feinde‘).
8) Dittrich-Opitz & Salvesen: Normopathie – Das drängendste Problem unserer Zeit, Bielefeld 2021
9) https://nurmut.ch/blog/veraenderungsprozess_vier_zimmer_751/4
10) https://www.sein.de/kritische-masse-10-prozent-fuer-ein-neues-paradigma/
11) Der Autor bevorzugt den Begriff ‚Aufklärung‘ vor ‚Widerstand‘. Produziert doch Widerstand wieder Widerstand. Es geht um die Entwicklung zukunftsorientierter Lösungen. Und Lösungen entstehen u.a. durch das Verbinden von Menschen (siehe auch www.brightside.at)
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Konrad Breits Blog konradbreit.com.
Über den Autor
Seit über 30 Jahren beschäftige ich mich sowohl wissenschaftlich als auch in der Organisationspraxis mit dem Phänomen Change. Als Organisationsberater und Managementcoach durfte ich verschiedenste Unternehmenskulturen kennenlernen und mitentwickeln.
2013 gründete ich zusammen mit Alexander Schön das Start-up ‚More Than Checks‘ – eine innovative Online-Survey-Software für Befragungen und zur Diagnose von Organisationen.