In etablierten Medien insbesondere seit der Corona-Krise wird bis heute weitgehend undifferenziert gegen Alternativmedien und deren angeblich rechtes Gedankengut agitiert; die Konsumenten solcher Medien werden dabei nicht selten auch gleich mit „entsorgt“. Dies ist ein problematischer Vorgang, der rechts im Sinne von wertekonservativ mit rechtsextrem verwechselt und das ernstzunehmende Phänomen zu einem verwaschenen Gummibegriff verkommen lässt.
Auch viele kritische Stimmen, die etwa von linker Seite kamen (z.B. Sahra Wagenknecht oder Oskar Lafontaine) wurden in den letzten Jahren ganz schnell mit dem Schmähbegriff „rechts“ oder gar rechtsextrem abgekanzelt und diskreditiert – auch wenn sie damit nichts zu tun hatten. Gleichzeitig – und das ist wichtig – trifft der Vorwurf des Rechtsextremismus tatsächlich auf manche Akteure in der Öffentlichkeit zu und es wäre ein Fehler, würde man dies ignorieren. Die Konsumenten solcher Akteure oder Medien ebenfalls gleich als Rechtsextreme zu framen, ist allerdings auch wieder eine unzutreffende Verallgemeinerung und verkennt den dialektischen Prozess, warum Menschen sich Akteuren zuwenden, die massiv mit Populismus arbeiten.
Rechtsextrem als Kampfbegriff vs. wirklich rechtsextrem
Wer Gesellschaftskritik ernst nimmt muss verstehen, dass der Siegeszug der Rechtsextremen immer auch mit dem Versagen der anderen Seite einhergeht. Menschen wenden sich extrem rechten Parteien und Medien nicht einfach deshalb zu, weil sie hasserfüllte Idioten sind, sondern meist, weil sie sich abgehängt fühlen, man auf sie hinabblickt und dabei ihre Sorgen gekonnt, ja, systematisch ignoriert. Oft sind es Menschen, die verzweifelt und politisch heimatlos geworden sind. Diese Entwicklung hat sich insbesondere in den letzten Jahren wie in Zeitraffer zugespitzt, lässt sich aber auch in anderen Ländern, etwa in Frankreich, gut beobachten.
Stefan Magnet von AUF1: Völkisch bis über beide Ohren
Ein Anhänger solch rechtsextremen Völkerdenkens ist ohne Frage der Gründer des TV-Senders AUF1, Stefan Magnet (*1984). Daher gilt es, AUF1 ganz genau zu betrachten. Auch wenn das Medium von Anfang an bei sehr vielen Themen Aspekte bespricht, die nachvollziehbar sind und hochkompetente Menschen für Interviews einlädt, deren Ausführungen ernst zu nehmen sind, so spricht dies den Sender nicht von seiner grundsätzlich rechtsextremen Gesinnung frei. Es zeigt hingegen nur, dass Magnet geschickt darin ist, Kritiker für sich zu gewinnen, welche die Ideologie hinter dem Sender nicht kennen oder unterschätzen.
Ja, mehr noch: In einem 2022 bei AUF1 veröffentlichten Video-Statement von Magnet beklagt er sich selbst darüber, dass Rechtsextremismus als Kampfbegriff gegenüber jedweder kritischen Haltung verwendet wird. Dabei vermischt er – wie so oft – Wahrheit mit Unwahrheit.[1] Denn natürlich wurde der Begriff inflationär verwendet und vor allem auch gegenüber vielen Regierungs-Kritikern ins Feld geführt. Das heißt aber nicht, dass der Begriff nicht trotzdem auf Stefan Magnet zutrifft.
Was Magnet hier macht, ist eine geschickte Strategie, um sich mit den Menschen, die von vielen Teilen des Mainstream-Journalismus schikaniert und verstoßen wurden, zu verbünden. Er sagt damit sinngemäß: „He, Leute, die Medien verwenden Rechtsextremismus als Kampfbegriff für euch ganz normale, kritische Bürger! Ich bin auch einer von euch – eben ein kritischer Journalist. Kommt zu mir und AUF1“. Damit versuchen Akteure wie Magnet den Rechtsextremismus zu normalisieren und salonfähig zu machen, was zum Teil auch gelingt. Und das ist letztlich ein Versagen all jener Medien, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht zwischen besorgten Bürgern und Rechtsextremisten unterscheiden woll(t)en.
Denn es spielt den wahrhaftig Rechtsextremen in die Hände und diskreditiert kritische Stimmen in ihrer Gesamtheit: AUF1 existiert seit dem Jahr 2021 und hat seit dieser Zeit den begeisterten Zuspruch eines großen und breitgefächerten Publikums erhalten – gerade auch von Menschen aus der bürgerlichen Mitte. Denn diese fühlten sich durch die Corona-Maßnahmen sowie -Berichterstattung diskriminiert. Die öffentlich-rechtlichen sowie etablierten Leitmedien reagierten nicht adäquat auf die Sorgen der Menschen – indem sie etwa Lockdowns, 2G-Regelungen, Schulschließungen und Impfzwang im Berufsleben kritisch reflektiert hätten –, wodurch sie eine massive, dringend notwendig zu schließende journalistische Lücke aufklaffen ließen. In diesem Vakuum setzten sich infolge die medialen Angebote der österreichischen FPÖ (FPÖ-TV) sowie von Stefan Magnet (AUF1) am lautesten durch – und holten so die Leute ab.
Nach Corona: eine völkische Programmschrift
Magnets Projekt hat nun mittlerweile derart großen Erfolg, dass er sein Angebot massiv in Richtung Deutschland und der Schweiz ausbaut.[2] Verbindungen zur FPÖ und AFD – auch finanzieller Art – existieren dabei augenscheinlich, sollen jedoch an anderer Stelle besprochen werden. Ob die Konsumenten von AUF1 jedoch wissen, was Magnet zum Beispiel in seinem programmatischen Buch „Nach Corona. Warum die Globalisten scheitern werden und die Menschheit erwacht“ schreibt, ist jedoch zu bezweifeln.
Das Buch gab Magnet im Jahr 2020 im Pionierverlag heraus und es beschäftigt sich mit den Verwerfungen der Corona-Krise. Bei genauerem Hinsehen ist es jedoch ein Sammelsurium völkischer Ideologeme, das die multiplen Krisen der Gegenwart zur Untermauerung dieser Ideologie nutzt. Magnet versteht es jedoch, nachvollziehbare und berechtigte Kritik an Globalisierung, Naturausbeutung, Kapitalismus und Entfremdung immer wieder mit den völkischen Inhalten zu vermengen, sodass zwischendurch Dinge angesprochen werden, denen wohl nicht nur Konservative, sondern auch viele Linke, Grüne, Bürgerliche zustimmen müssen: Unterstützung regionaler Landwirtschaft, Bio-Fleisch, Kritik an einer völligen Ressourcen-Ausbeutung der Erde und der Natur, Erhaltung bestimmter Traditionen.
Auch die Kritik an einflussreichen Eliten, die mit Zentralisierungsbestrebungen zumindest den Weg in eine Art Weltregierung ebnen, scheint auf den ersten Blick legitim. Klar wird jedoch, dass Magnets Denken durch und durch völkisch ist und er als Antwort auf das Schreckgespenst des „Globalismus“ nur ein germanophiles Stammeskonzept hat, wie allein schon im Vorwort ersichtlich wird. Dort schreibt er:
„In diesem Menschenschlag, gerade in den unmittelbaren Blutserben der freiheitsliebenden und unbezwingbaren Germanenstämme, steckt ungeheures Potential. Zivilisatorisch betäubt und durch Psychotricks und Charakterwäsche orientierungslos gemacht, werden diese Menschen aber im Angesicht der Bedrängnis erwachen, und die deutsche Wehrhaftigkeit wird im Augenblick größter Not hervorbrechen. Unzählige Persönlichkeiten des Widerstands gegen die vollkommen willkürlichen Corona-Zwangsmaßnahmen zeugen vom heldischen und kämpferischen Geist, der noch immer in diesem Volk wohnt.“[3]
Germanentum und unverwechselbare Nähe zu NS-Ideologie
Der Bezug auf eine angebliche Kontinuität der germanischen Stämme war (und ist) ein typisches Ideologem völkischen und (neo-)nationalsozialistischen Denkens. Nicht nur in der NS-Politik, sondern auch in der Wissenschaft zur Zeit des Nationalsozialismus war diese Stammestheorie ein gängiges Narrativ, um „deutschen“ Besitzanspruch an bestimmte Gebiete zu legitimieren und die angebliche Überlegenheit der „Deutschen“ zu postulieren.[4] Mit dem Bezug auf den „kämpferischen und heldischen Geist“ dieser „Deutschen“, die „Blutserben“, die „deutsche Wehrhaftigkeit“ und das gleichzeitige Auftreten dieser Wörter mit dem Begriff des „Volkes“ verwendet Magnet eine Sprache, die wir NS-Propaganda-Blättern entnehmen könnten und die als solche dutzendfach belegbar ist.
Jeder mit rudimentärem Geschichtswissen weiß um diese prototypischen NS-Schlagworte Bescheid. Und gerade der Volksbegriff wird bei Magnet ad nauseam bemüht, ja, wird das ganze Buch hindurch hunderte Male verwendet. „Volk“ meint in diesen Zusammenhängen aber eben nicht Bevölkerung, sondern bedient – mit Blick auf Magnets Gebürtigkeit als Österreicher mehr als entlarvend – das Narrativ einer deutschen Blutsgemeinschaft, wie er selbst mit Verweis auf genetische Forschung an verschiedenen Stellen immer wieder zu belegen versucht. So meint er etwa, jedes Volk hätte einen „als charakteristisch empfundenen Norm- oder Idealtypus“. Magnet betont dabei: „Andere, im eigenen Volk nicht vorkommende Merkmale und Merkmalskombinationen werden als fremdartig wahrgenommen.“[5]
Eine große Rolle spielt bei Magnet auch der Verweis auf die Tugend der Ehre, um das „volkliche Selbstbewusstsein zu wecken“ und die „alt-europäische Ehre“ wiederherzustellen“. Damit, meint er, solle das „Selbstbewusstsein als Franzosen, Italiener, Ungarn oder Deutsche […] wieder angehoben werden.“[6] Man sieht, die Argumentation dreht sich im Kreis und ist im Sinne eines die Realität vereinfachenden Völkerdenkens konzipiert, entgleist dabei bisweilen in esoterische NS-Gefilde, die jedoch klug verschlüsselt werden, wie an folgender Stelle ersichtlich wird:
„Aus den Sternenbeobachtungen, als Stonehenge und Externsteine errichtet wurden, spricht eine jahrtausendealte Ur-Weisheit zu uns. Sie ist uns auch in der indischen Mythologie der Veden überliefert, in denen Folgendes zu finden ist:
Gott schläft im Stein,
atmet in der Pflanze,
träumt im Tier,
und erwacht im Menschen.
In modernen Enzyklopädien, wie zum Beispiel „Wikipedia“, heißt es zur zeitlichen Einordnung der Veden: „Nach der Einwanderung der Arier um 1500 v.Chr. in die nördlichen Flussebenen des Indus und des Ganges begann die frühvedische Zeit bis 1000 v. Chr. Es wurden Naturgötter und Naturkräfte verehrt. Es bestand ein Glaube an Auferstehung mit Leben nach dem Tod.“ [7]
Was Magnet hier geschickt macht, ist, dass er den belasteten Begriff des Ariers, einer der Kernbegriffe des nationalsozialistischen Denkens über einen Umweg quasi beiläufig einführt, nämlich durch den Verweis auf die indischen Veden und deren naturnahe Spiritualität und den Begriff so vermeintlich unverfänglich erscheinen lässt!
Geschichtsrevisionismus, Ungleichheit und Vulgär-Holismus
Haarsträubend wird es auch dort, wo Magnet sich auf angebliche Narrative von „Geschichtsdeutern“ bezieht, die die Französische Revolution nicht als Blutbad (S.59) oder die Germanen als „roh und ungebildet“ stilisieren (S. 152). Jeder, der die Diskurse der Geschichtswissenschaft ein wenig verfolgt, weiß, dass die unterschiedlichen Germanenstämme eine ausdifferenzierte Kultur besaßen und dass dies in der Fachwelt breit diskutiert wird. Auch, dass natürlich die Schreckensherrschaft der Jakobiner in Frankreich alles andere als zu verharmlosen ist, gilt mittlerweile als common sense.
Hier befinden wir uns bei Magnet immer wieder am Sprung zu geschichtsrevisionistischer Agitation, die behauptet, alles wäre ganz anders, als man uns weismachen will. Dies mag für rezente historische Ereignisse bisweilen zutreffend sein, bei über zweihundert Jahre alten Ereignissen ist das jedoch einfach Unsinn. Spannend ist im Kontext der Französischen Revolution auch Magnets Behauptung, dass mit der Französischen Revolution und den Freimauern der Globalismus begonnen hätte; er spricht von Eliten, die seit Jahrhunderten versuchen, ihre Agenda durchzudrücken und – wie konnten sie nur – die Gleichheit der Menschen einforderten:
„Mit der Parole von der ‚Gleichheit aller Menschen‘ wurde eine Idee auf die größere Bühne gehoben, die bis dahin nicht einmal als schlechter Scherz durchgegangen wäre. Nicht nur der gemeine Pöbel sollte dem Adel gleich sein, auch der Schwarze dem Weißen, der Araber dem Chinesen, der Jude dem Christen. Von da an war die Behauptung von der Gleichheit der Menschen nicht mehr wegzubekommen.“[8]
Auch wenn es hier nicht klar formuliert wird, erinnert diese Darstellung der globalistischen Eliten, die seit Jahrhunderten die Menschen mit ihrer Ideologie tyrannisieren, schon an die Idee von der jüdischen Weltverschwörung, der man nur durch die Einheit des deutschen „Volkes“ entgegentreten kann. Die intellektuelle Schwäche dieser Art völkischen Denkens besteht übrigens auch darin, dass es vorgibt, „ganzheitlich“ zu sein, aber tatsächlich eine Ideologie der Abgrenzung und Einteilung vollzieht. Dieses Menschenbild zersplittert die Menschen in einzelne Gruppen und Völker, die abgetrennt für sich leben sollen: aber dabei bitte eben unter sich bleiben!
Rechtsidentitäre sind am Ende mindestens so schlimm wie linke Identitätspolitik, da sie ebenso mit Essentialismen und Banalisierung arbeiten, aber zusätzlich noch den demokratischen Wert der Gleichheit aller Menschen infrage stellen.
In der ganzen Kulturgeschichte der Moderne gibt es aber so gut wie keine Bevölkerungsgruppe, die ethnisch und kulturell völlig isoliert lebt – abgesehen von einigen wenigen indigenen Stämmen. Und Stamm ist hier der Kernbegriff: Eine behauptete Stammeskontinuität der germanischen Stämme ist typisch für deutsch-völkische Ideologien, historisch aber einfach Unsinn, vor allem in einer industrialisierten, vernetzten und multilingualen Welt voller hybrider Identitäten. Des Weiteren kann man hier die Frage aufwerfen, wer denn nun beim „deutschen Stamm“, den Magnet hier so zelebriert, dabei sein darf. Ich würde mal behaupten: Ein Großteil der Österreicher und Deutschen ist hier aufgrund ihrer Wurzeln sicherlich nicht gemeint. Und das ist letztlich nur eine andere Art von Spaltung der Gesellschaft.
Mit einem humanistischen Menschenbild hat der Gründer von AUF1 daher sicherlich nichts zu tun!
[1] https://auf1.tv/stefan-magnet-auf1/rechtsextremismus-eine-grundsaetzliche-anmerkung , abgerufen am 23.04.2024.
[2] Vgl. https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/oesterreichischer-sender-auf1-gegen-das-boese-system-verschwoerungssender-kommt-in-die-schweiz sowie https://www.sueddeutsche.de/medien/auf1-deutschlandplaene-1.5625578, abgerufen am 30.04.2024.
[3] Stefan Magnet: Nach Corona. Warum die Globalisten scheitern werden und die Menschheit erwacht. Pionier-Verlag 2020, S.10.
[4] Zu diesem Stammeskonzept im Kontext völkischer Wissenschaft vgl. z.B. Jan David Zimmermann: „Die Sprache(n) auf der Karte. Die Konstruktion von Geschichtlichkeit in der Dialektkartografie des Deutschen zwischen Cisleithanien, Erster Republik und Zweiter Republik, in: Johannes Feichtinger, Heidemarie Uhl (Hgg): Das integrative Empire. Wissensproduktion und kulturelle Praktiken in Habsburg-Zentraleuropa. Transcript Verlag 2023, S. 189-209.
[5] Magnet 2020, S.249.
[6] Magnet 2020, S.286.
[7] Magnet 2020, S.173-174.
[8] Magnet 2020, S. 59-60.
Über den Autor
Jan David Zimmermann ist Schriftsteller, Journalist und Wissenschaftsforscher. Seine Essays und Beiträge erscheinen unter anderem in der Berliner Zeitung, Cicero, oder dem Stichpunkt Magazin.