Eine Analyse der Veranstaltung „Goldenes Brett vorm Kopf“ der „Wiener Skeptiker“.
Am 05.10.2023 fand in Wien zum 11. Mal die Verleihung des Negativ-Preises „Das goldene Brett vorm Kopf“ statt. Die selbsterklärten Gralshüter der Wissenschaft, die Wiener Skeptiker, zeigen dabei auf andere mit dem Finger und attestieren ihnen Wissenschaftsfeindlichkeit, doch was sie nicht bedenken: Die anderen Finger ihrer Hand zeigen dabei auf sie selbst. Sie sind bei genauerem Hinsehen die Wissenschaftsfeinde und sie lehnen den wissenschaftlichen Diskurs ganz offensichtlich ab.
Wer eine Diffamierungskampagne betreibt, für deren Niveau man sich auf den Bauch legen muss und dies dann auch noch als Satire ausgibt, um sich der Verantwortung über die eigenen Aussagen zu entziehen, der muss in einer aufgeklärten Gesellschaft mit Gegenwind und Einspruch rechnen.
So geschah es auch beim Event der Skeptiker, sie erlebten eine massive Störaktion vonseiten kritischer Menschen, die die menschenverachtende Diskreditierung, die gegenüber den Nominierten ausgeschüttet wurde, nicht unwidersprochen lassen wollten. Wie auch immer man zu solchen Störaktionen stehen mag, aber wer sich die Laudationes nur für sich anhört und noch ein wenig Achtung für seine Mitmenschen empfindet, der wird erkennen, dass hier pure Hetze stattfand, gegen die sich die Zivilgesellschaft mitunter auch lautstark wehren muss. Warum? Weil beim goldenen Brett auch Leute am Werk sind, die weitgehend von der Allgemeinheit bezahlt werden.
Aber alles der Reihe nach.
Die „Ehrung“ durch „Das goldene Brett vorm Kopf“ wurde zuletzt dem Mediziner Sucharit Bhakdi 2020 zuteil, nun gab es, angeblich wegen Corona, eine zweijährige Pause.1
Der Preis, ebenso wie der Verein der Skeptiker, will angeblich Pseudowissenschaften entlarven und Esoterik den Garaus machen. Doch der Verein und seine um ihn kreisende Männerpartie wie Florian Aigner, Martin Puntigam (heuer Moderator), Martin Moder, Ulrich Berger und einige mehr sind bei näherem Hinsehen nur darauf bedacht, Menschen lächerlich zu machen und abweichende Meinungen zu diskreditieren. Sie werfen dabei alles in einen Topf: Flacherdler und Ufo-Verfechter werden in einem Atemzug mit legitimen unorthodoxen Ansätzen in Medizin und Wissenschaft genannt und auf dieselbe Stufe gestellt. Wissenschaft ist für die Skeptiker nur, was der orthodoxe und durch Macht abgesicherte Konsens ist. Alternativmedizin verschiedenster Art oder Demeter-Landwirtschaft werden dagegen grundsätzlich und ausnahmslos ins Lächerliche gezogen. Pharmakonzern-Kritik findet nicht statt, ebensowenig wie die kritische Reflexion zu problematischen Aspekten von Wissenschaft, (Schul-)Medizin- und Gesundheitssystem.
Die Skeptiker folgen einem szientistischen, naiv-positivistischen Wissenschaftsbild, wo Religion letztlich durch Wissenschaft ersetzt wird. Seit 2020 könnte man diese Menschen überspitzt auch als Impfscholastiker bezeichnen, die ein neues Grusel-Zeitalter der Gotik einführen wollen.
Mit dem 05.10. bot sich jedenfalls ein Schauspiel, das der Autor dieser Zeilen in solcher Form nicht erwartet hatte: Das Niveau dieser Veranstaltung war unterirdisch, von Anfang bis Ende wurde Framing und Hetze betrieben. Am scheußlichsten waren aber die Diffamierungen ad personam die in sexistischer und massiv untergriffiger Weise gegen die schlussendliche Preisträgerin Ulrike Guérot vorgebracht wurden.
Die Behauptung, es handle sich bei alle dem Satire, ist dabei nur vorgeschoben und leicht zu entkräften, weil es nämlich ganz offenkundig darum geht, sich durch den Verweis auf Satire nicht auf einer sachlichen und d.h. wissenschaftlichen Ebene mit Argumenten auseinandersetzen zu müssen; dies war schließlich auch symptomatisch für die gesamte Veranstaltung, die im Namen der Wissenschaft auftritt, aber eigentlich ihr Gegenteil bedeutet. Wissenschaftstheoretiker wie Karl Popper oder Heinz von Förster würden sich im Grabe herumdrehen.
Der Kabarettist Martin Puntigam führte durch den Abend und man begann damit, völlig abstruse esoterische Produkte und Unternehmen, von denen man noch nie gehört hatte, auf einer Leider-Nein-Liste aufzuzählen; bei ihnen hatte es für die Nominierung nicht gereicht. Somit war das Framing gesetzt: Stefan Homburg, Ulrike Guérot, Daniele Ganser und Ferdinand Wegscheider, die tatsächlich Nominierten, wurden mit Menschen assoziativ verknüpft, die mittels aufgeladenen Energiesteinen andere Leute abzocken. Von Minute eins an wurde auch immer wieder auf „die Rechten“, Verschwörungstheoretiker und „die Schwurbler“ hingewiesen und in regelmäßigen Abständen Bezüge zu FPÖ oder AfD gezogen.
Dabei hofften die Veranstalter wohl zu Beginn, ironisch jene Störenfriede abfedern zu können, die sich extra Karten gekauft hatten, insbesondere die Vereinigung GGI – Grüne für Grundrechte und Informationsfreiheit – eine Abspaltung der österreichischen Grünen – die vor Eröffnung der Veranstaltung eine parallele Preisverleihung direkt vor dem Wiener Stadtsaal durchführte.
Die ganze Veranstaltung wurde übrigens aufgezeichnet und auf YouTube gestellt, hier kann man fast alles, wovon ich spreche, nachhören.2
Der erste, der im Programm zu Wort kam, war Andre Wolf vom Faktenchecker-Portal Mimikama. Er versuchte in banaler Weise gleich zu Beginn zu erklären wie Framing funktioniert, dieses würde aber natürlich v.a. von Rechten und Verschwörungstheoretikern durchgeführt. Dass er damit selbst schon Framing betrieb und auch ständig nur Beispiele aus dem rechten Spektrum brachte (etwa zu Wahlplakaten der FPÖ und AFD) kam ihm offenbar nicht in den Sinn.
Nach diesem Einstieg kam die erste Laudatio, vorgetragen von Gerald Gartlehner, Universitätsprofessor der Donauuniversität Krems. Er widmete sich den Ausführungen von Ferdinand Wegscheider, die er immer und immer wieder als wissenschaftsfeindlich bezeichnete. Hier kam es bereits zu ersten Zwischenrufen, verbalen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Menschen im Publikum und dem Laudatoren und letztlich auch zu sprachlichen Tumulten vonseiten der im Publikum sitzenden Verteidiger der Veranstaltung. Provoziert durch die Gruppe der GGI entbarg sich die Mob-Mentalität der Corona-Hardliner, die Stimmung war aufgeheizt. Schließlich wurde die Laudatio sogar für ein kurzes Statement einer GGI-Sprecherin unterbrochen. Die Stimmung ihr gegenüber war feindselig, sie wurde ebenso niedergebrüllt wie zuvor Zwischenrufe von der anderen Seite stattfanden.
Aus Platzgründen soll im Folgenden nur eine weitere Rede besprochen werden, nämlich jene von Dr. Daniela Angetter-Pfeiffer, sie befasste sich mit Ulrike Guérot, deren Namen sie nicht einmal aussprechen konnte, sondern sie konsequent GUA-ROH nannte.
Angetter-Pfeiffer, die ihre Rede vom Blatt herunter stammelte, reihte vermeintlich „umstrittene“ Aussagen von Guérot aneinander und gab einem zu verstehen, dass diese Aussagen, Argumente allesamt lächerlich wären; das WARUM spart sie dabei aus. Es fand keine Form der Widerlegung von oder tatsächlich inhaltliche Auseinandersetzung mit bestimmten Argumenten statt, sondern es wurden persönliche Untergriffe am laufenden Band produziert, bei welchen sich die ÖAW-Wissenschaftlerin über die Kündigung von Ulrike Guérot lustig machte. Angetter-Pfeiffer betonte, GUA-ROH hätte weitere „unsinnige“ und „irrige Behauptungen von sich gegeben und unterstellte der Politikwissenschaftlerin, sie würde trotz des Angriffskrieges noch „an Putin hängen, so wie einige in diesem Saal offenbar auch“ (ca. Min 45:10) und könne ja Russland das nächste Mal mit Karin Kneissl besuchen.
Absurd wurde es schließlich auch an dem Punkt in der Rede, wo Frau Angetter-Pfeiffer Ulrike Guérot lächerlich machen wollte, indem sie eine Aussage der Politikwissenschaftlerin aus 2021 zitierte, die absolut richtig war: Nämlich dass eine Durchimpfung der Bevölkerung nicht zu einer Herdenimmunität führen würde (ca. Min 46). Wer aber auch nur halbwegs aufmerksam die Impfstoffentwicklung verfolgt hatte, der wusste ja bereits im Sommer 2021, dass mit der Covid-Impfung keine sterile Immunität möglich sein würde. Ob dies bei der ÖAW-Wissenschaftlerin auch angekommen ist?
Der niveaulose Höhepunkt dieser Rede war schließlich der Verweis auf eine intime Erkrankung Guérots, die diese als psychosomatische Reaktion auf Stress und Belastungen in der Öffentlichkeit zurückführe und in einem ihrer vielen Interviews in einem Nebensatz erwähnte.
Dass mit Daniela Angetter-Pfeiffer ausgerechnet eine weibliche Kollegin diese primitive Diffamierung erneut ins Feld führte, die bereits von dutzenden Medien aufgegriffen wurde, ist eine Diskreditierung auf persönlichster Ebene.
Was bei alle dem ins Auge sticht: Die Laudatoren und Menschen, die hier einen Auftritt absolviert haben, sind fast allesamt von der Allgemeinheit finanziert oder in staatlichen Institutionen tätig, waren dabei aber auch was das Thema Covid-19 betrifft, vielfach in tatsächlichen Regierungsgremien in beratender Funktion.
Der Universitätsprofessor und Mediziner Gerald Gartlehner arbeitet an der Donauuniversität Krems3 und wurde regelmäßig im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu den Corona-Maßnahmen interviewt, fand dabei erst spät kritische Worte zu bestimmten Maßnahmen.
Der Chef des Faktencheckerportals Mimikama, Andre Wolf, war Berater eines Krisenstabs der Österreichischen Bundesregierung zu Verschwörungstheorien während Covid-194 und sitzt gegenwärtig, kein Witz, im „No Hate Speech Komitte Austria“, übrigens wiederum gesponsert vom Bundeskanzleramt5.
Adelhaid Kastner, die die Laudatio auf Stefan Homburg hielt und in einem Nebensatz gleich rassistische Ressentiments gegenüber dem unterentwickelten Afrika schürte6, ist Psychiaterin an der Kepler Universität in Linz.7 Daniela Angetter-Pfeiffer ist Medizinhistorikerin mit Schwerpunkt NS-Medizin und arbeitet an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, gegenwärtig am Österreichischen Biographischen Lexikon.8
Martin Thür, der die Laudatio auf Daniele Ganser hielt und 2020 die Veranstaltung moderierte, ist Nachrichtensprecher beim ORF.
Was hier an diesem Abend also verteidigt wurde, ist am Ende nicht weniger als das Vorgehen der österreichischen Bundesregierung während der Corona-Pandemie und all seine politischen, medialen, wissenschaftlichen und künstlerischen Hardliner. Die genauen Finanzströme dahinter zu betrachten wäre eine Sache für sich.
Fast alles jedenfalls, was die Skeptiker, die Laudatoren, die dazwischen auftretenden Personen von sich gaben war das, was sie an der Gegenseite zu erkennen glauben: sie betrieben Framing, Hetze, Sexismus und vor allem tiefe Menschenverachtung. Mit Wissenschaft hat das alles nichts zu tun. Oder, um es in einem für framing-affine Innenstadt-Bobos verständlichen Vergleich zu formulieren: Die Skeptiker haben mit Wissenschaft so viel zu tun wie Kickl mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft.
- Roland Bilik ist da anderer Meinung, vgl. Kapitel „Der goldene Bumerang“ auf https://tkp.at/2023/10/04/das-goldene-brett-pseudo-aufklaerung-unter-der-guertellinie/ , abgerufen am 06.10.2023.[↩]
- https://www.youtube.com/watch?v=CjKmbh28VRs , abgerufen am 06.10.2023.[↩]
- https://www.donau-uni.ac.at/de/universitaet/organisation/mitarbeiterinnen/person/4294993462 , abgerufen am 06.10.2023.[↩]
- https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/AB/1334/imfname_799682.pdf , abgerufen am 06.10.2023.[↩]
- https://www.nohatespeech.at/impressum/ , abgerufen am 06.10.2023.[↩]
- Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=CjKmbh28VRs ab St. 01:8:13. [↩]
- Vgl. https://www.kepleruniklinikum.at/kliniken-einrichtungen/psychiatrie-mit-forensischem-schwerpunkt/team/ , abgerufen am 06.10,2023.[↩]
- Vgl. https://www.oeaw.ac.at/acdh/oebl/team/angetter-pfeiffer-daniela , abgerufen am 06.10.2023.[↩]
Über den Autor
Jan David Zimmermann ist Schriftsteller, Journalist und Wissenschaftsforscher. Seine Essays und Beiträge erscheinen unter anderem in der Berliner Zeitung, Cicero, oder dem Stichpunkt Magazin.
Diese Negativ-Ordens-Verleihung reiht sich ein in die skandalösen Positiv-Ordens-Verleihungen in Deutschland für die Menschen, die eifrig und willfährig die Maßnahmenkritiker diffamiert haben, sie ausgegrenzt haben, Spaltung betrieben haben und die Wissenschaft ad absurdum geführt haben. Man kann nur hoffen, dass sie ebenso tief fallen werden, wie sie sich jetzt gegenseitig hoch loben, wenn alle Fakten endlich offenbar werden!
Ich habe von einer Kollegin den Hinweis auf diese Sendung bekommen, sie mir live im Stream angesehen und mich nach einer knappen halben Stunde nach dem Testbild des ORF in den 70igern gesehnt: das hatte Niveau und ergab Sinn.
Diese Veranstaltung war einfach nur peinlich: ein Gestottere vom Anfang bis zum Ende von allen “Rednern und -Innen” (auch jene der GGI ) – als Humor / Satire konnte nicht mal die Moderation des Komikers bezeichnet werden: unterirdisch grottenschlecht wäre noch mehr als übertrieben und schmeichelhaft. Im Übrigen wundere ich mich, wie heute Menschen öffentlich denunziert werden dürfen… ich fühle mich 100 Jahre zurück versetzt.