Am Samstag, dem 6. Jänner 2024, fand in Wien die Kundgebung „Neutralität schafft Frieden“ statt. Gleich vorweg, der Autor dieser Zeilen ist stolz darauf, bei dieser großartigen Veranstaltung selbst aktiv als Redner beteiligt gewesen zu sein.
Dabei gab es im Vorfeld viel Kritik am Konzept der Organisatoren. Das Verbot aller Fahnen mit Ausnahmen von österreichischen Nationalflaggen und Friedensfahnen stieß nicht überall auf Verständnis und wurde als Diskriminierung ausgelegt. Eine strikt neutrale Haltung sei nicht möglich, hieß es außerdem, man müsse doch Position beziehen, wenn Menschen sterben, und man müsse sich doch auf alle Fälle auf die Seite dieses oder jenes unterdrückten Volkes, auf die Seite dieser oder jener Nation stellen. Diese Einwände und Vorwürfe kamen so zahlreich, dass die Mitveranstalterin Andrea Drescher sich schließlich sogar in einer im Online-Medium tkp publizierten Stellungnahme1 dagegen öffentlich zur Wehr setzen musste.
Auch die Plattform Sebö („Selbstbestimmtes Österreich“) übte in einer ihrer Aussendungen2 vehemente Kritik an unserer Herangehensweise und forderte von uns eindeutige Parteiergreifungen im Falle des Ukrainekriegs und in Bezug auf die Vorkommnisse im Gazastreifen. Das bloße Eintreten für „Neutralität“ sei eine „hohle Phrase“, behauptete man, und uns wurde aus diesem Eck sogar nachgesagt, mit einem solchen Verständnis von Neutralität in gar keinem Widerspruch zu den „Herrschenden“ zu stehen.
Die Kundgebung vom 6. Jänner hat all diese Unkenrufe eindrucksvoll widerlegt. Die wirklich starken Beiträge der Redner zeigten auf, dass wir alles andere als auf Kuschelkurs mit den Mächtigen sind und dass in der scheinbar banalen Forderung nach „Neutralität und Frieden“ an sich allein schon eine ungeheure Power steckt. Wenn diese scheinbar so simple und schlichte Forderung nur konsequent genug beherzigt und ausformuliert wird, dann tritt man den „Herrschenden“ kräftig auf die Zehen.
Wir sollten niemals vergessen, dass die Neutralität ein ungeheurer Schatz ist, der uns Österreichern geschenkt wurde und den es zu bewahren gilt. Diese Neutralität im Sinne einer aktiven Friedenspolitik sollten wir uns nicht verwässern lassen, weder von der einen noch von der anderen Seite, weder von den Regierenden noch von anderen, die meinen, man könne Opfern nur beistehen, indem man seine Parteilichkeit für die eine oder andere Seite offen und propagandistisch zur Schau stellt.
Auf die Seite der Opfer haben wir uns aber mit dieser Kundgebung trotzdem gestellt. Allerdings geht es dabei um die Opfer auf allen Seiten, quer durch die Nationen und Völker und Religionen. So hat denn auch das Motto der Kundgebung gelautet: #IStandWithVictims.
Besonders erfreulich ist es überdies, dass es durch die Veranstaltung gelungen ist, einmal wieder die alternative Widerstandsszene geeint zusammenzubringen, die ja infolge des Anschlags vom 7. Oktober ziemlich zersplittert zu sein schien. Es herrschte auf der Kundgebung eine allgemein gute, lebendige Stimmung, eine Stimmung der Verbundenheit. Demgegenüber spielt es keine große Rolle, dass, allein schon aufgrund der widrigen Witterungsverhältnisse, die Zahl der Teilnehmer in Grenzen blieb. Wichtig war es, dass die verschiedenen Lager wieder zueinander fanden.
Für alle, die aus dem einen oder anderen Grund nicht dabei sein konnten, hier zuerst die Liste der Rednerbeiträge in der Reihenfolge ihres Auftritts, und anschließend der Link zum Video von der Kundgebung:
– Ortwin Rosner: “Krieg und Frieden beginnen in der Sprache.”
– Wolfgang Effenberger: “Krieg war nie eine Lösung – die Sicht eines ehemaligen NATO-Offiziers.”
– Florian Machl: “Wo ist die links-grüne Friedensbewegung?”
– Madeleine Petrovic: “Die bittere Lehre der Mutter Courage scheint vergessen: Wir wollen daran erinnern!”
– Tom J. Wellbrock: “Der Weg zu Kriegen: Medienhetze und Medienlügen.”
– Peter F. Mayer: “Die aktuellen Neutralitätsbrüche Österreichs.”
– Bernhard Schlager: “Nicht in unserem Namen!”
– Michael Brunner: “Das Grundrecht, nicht töten zu müssen.”
- https://tkp.at/2024/01/04/herausforderung-neutralitaet/[↩]
- https://www.selbstbestimmtes-oesterreich.at/artikel/neutralitaet-als-friedenspolitisches-instrument-nutzen-hegemonialen-us-interessen[↩]
Über den Autor
Ortwin Rosner, 1967, hat Germanistik und Philosophie in Wien studiert, wo er auch 2006 im Peter Lang Verlag seine Diplomarbeit mit dem Titel „Körper und Diskurs. Zur Thematisierung des Unbewussten in der Literatur anhand von E. T. A. Hoffmanns Sandmann“ veröffentlichte.