Halt! Stopp! Was machen Sie denn da? Von hier aus sieht es aus, als hätten Sie gerade vor, sich in Ihre Wanderstiefel zu zwängen und einen Wald zu betreten oder einen Berg zu besteigen. Lassen Sie das unverzüglich!
Sie denken wohl auch, Sie könnten machen, was Sie wollen, oder? Ja, ja, da kann man nichts falsch machen, wenn man dem Wahnsinn mal entkommen und in der Natur ein wenig Stille tanken möchte. Von wegen! Wandern ist rechts, wussten Sie das etwa nicht? Schon seit 2021 ist bekannt, dass Wanderer gern unter sich sind, denn Schwarze sieht man auf Touren durch Wälder und Berge eher selten, eigentlich fast nie.
Lesen Sie mal das hier:
“Wandern, eine Tradition tief verankert in unserem Kulturraum. Das Erklimmen eines Berges, das Streben nach einem Ziel, die Freude am Prozess, also am Wandern selbst, die Freude an der Tat selbst.”
Nicken Sie etwa? Seien Sie ehrlich, ich hab’s genau gesehen. Diese Worte stammen aus der Schweiz, und zwar von der rechtsextremen Kameradschaft “Junge Tat”. Sagt Ihnen nichts? Ach, kommen Sie, hören Sie auf, die Nähe ist doch offensichtlich. Sie wandern gern, erklimmen Berge, streben ein Ziel an und faseln sicher auch etwas von “unserem Kulturraum”. Aber damit ist jetzt Schluss, verlassen Sie sich drauf, von jetzt an wird nicht mehr gewandert, und auch sonst wollen wir uns Ihre rechtslastigen Neigungen mal genauer ansehen.
Es gibt, aber das wissen Sie als rechtsextremer Wanderer sicher schon, drei Typen rechter Wanderer, alle sorgsam eingeordnet durch einen Politikwissenschaftler, der sehr differenziert unterscheidet.
1. Aktivismuswanderer: Das sind die, die keine Wanderlieder singen, sondern beispielsweise während des Laufens das AfD-Programm vor sich hinsummen. Gern auch nach alten deutschen Melodien, die schon zu Zeiten der Olympischen Spiele in Berlin gespielt wurden.
2. Aktivismuswanderer: Die singen nicht nur die Lieder der Aktivismuswanderer, sondern können auch noch Kung Fu, Ping Tzong oder Fuck tiif. Üble Gesellen sind das.
3. Aktivismuswanderer: Das sind die ganz schlimmen Finger. Sie wandern und singen nicht nur, sondern machen sogar Aufnahmen von der Natur, die sie für ihre menschenverachtenden Ziele filmen. Traumhafte Berggipfel, romantische Waldlichtungen und seltene Blumen zieren ihre Videos, die sie dann auch noch in sozialen Medien verteilen. In seltenen Fällen posten diese Rechtsextremisten auch ihr Essen, das meist aus braunen Soßen und Zigeunerschnitzel besteht.
Und? Erkennen Sie sich wieder? Ich weiß nicht, wie Sie es mit dem Kampfsport halten, aber wandern und singen traue ich Ihnen durchaus zu, und wenn Sie das nächste Mal Ihre Erbsensuppe auf Facebook posten, wird die ganze Welt wissen, wes Geistes Kind Sie sind.
Nun sollen aber auch Lösungsansätze Teil dieses kleinen politisch korrekten Textes sein, ich will Sie nicht allein im rechtsprasselnden Regen stehen lassen. Die Tatsache, dass heute jeder rechtsradikale … äähh … Schwachkopf wandern geht, bedeutet ja nicht, dass Sie chancenlos wären und nicht doch noch reingewaschen werden könnten.
Also: Verzichten Sie auf Tätigkeiten, die Sie als Nazi identifizieren könnten. Hören Sie also auf mit dem Wandern, Bergsteigen, Schwimmen, Walken, Tischtennis spielen, aber auch mit dem unruhigen Schlaf, dem schnellen Atmen, dem Trampolinspringen und nicht zuletzt mit dem Singen! Songs von Taylor Swift oder Jan Böhmermann bilden da übrigens keine Ausnahme, auch wenn Sie versuchen, über diese Kultkackstelzen zu argumentieren. Nein, das Singen an sich ist rechts und daher nicht rechtens, lassen Sie es links liegen und bleiben auf dem rechten Pfad der Tugend.
Sie wissen es doch letztlich auch, spätestens sei Corona, das richtige Verhalten an den Tag zu legen, ist nun wirklich keine Raketenwissenschaft. Legen Sie sich also einfach aufs Sofa, schalten Sie die Glotze an und fressen Kartoffelchips in sich rein, bis Sie einen Herzkasper kriegen.
Tun Sie also, was Ihnen schon vor Jahren erzählt wurde, um als Vorbild der Nation anerkannt zu werden: Tun. Sie. Nichts.
Über den Autor
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen.